New Work: Willst Du mit mir Coworken? Ja [ ] Nein [ ] oder Vielleicht [ ]

2016-03-22 09:00
von Kristin Oldenburg
Coworking in Nürnberg
Foto: Kristin Oldenburg

08.03.2016 - Im Zuge der zunehmenden Digitalisierung bzw. des digitalen Wandels sprechen wir auch von einer Veränderung der Arbeitswelten. Letzteres wird im Moment Arbeiten 4.0 oder New Work genannt. Ist das wirklich so neu und was bedeutet das für neue Arbeitsformen? Und sind diese Veränderungen wirklich eine Folge der Digitalisierung?  


Coworking - für mich ein klares 'Vielleicht'

Coworking in den Design Offices Hamburg

Als Freelancer arbeite ich in den digitalen Weiten des Internets. Ein mobiles Büro und diverse Online-Tools begleiten mein tägliches Schaffen. Eigentlich müsste Coworking als anerkannte Form des New Work für mich fester Bestandteil meines Lebens als digitaler Nomade sein. Ist es aber nicht. Coworking ist und bleibt für mich eine schwierig zu erklärende Liebesbeziehung. Fragt man mich, welchen Stellenwert ich einem Coworking Space zumessen würde, dann wäre die Antwort ohne nachzudenken ‚ein sehr wichtiger’. Würde die nächste Frage dann lauten, wie oft ich an einem solchen Ort arbeite, dann könnte diese gegenläufiger nicht ausfallen: ‚so gut wie nie’. Würde ich mich für den Erhalt eines Coworking Spaces einsetzen? 'Jeder Zeit und sofort' - zumindest, wenn es sich um so facettenreiche und durch die Community belebte Begegungsstätten wie das betahaus und das Shhared in Hamburg handelt.

Wie lautet denn die Definition dieser neuen Arbeitsform?

„Coworking, auch Co-working, engl. „zusammen arbeiten“ (...) ist eine Entwicklung im Bereich neue Arbeitsformen. Freiberufler, Kreative, kleinere Startups (...) arbeiten dabei zugleich in (...) offenen Räumen und können (...) voneinander profitieren. Sie können unabhängig voneinander agieren und in unterschiedlichen Firmen und Projekten aktiv sein, oder auch gemeinsam Projekte verwirklichen (...).

„Coworking Spaces“ stellen Arbeitsplätze und Infrastruktur (...) zeitlich befristet zur Verfügung und ermöglichen die Bildung einer Gemeinschaft („Community“), welche mittels gemeinsamer Veranstaltungen, Workshops und weiterer Aktivitäten gestärkt werden kann. (...)“

Quelle: Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Coworking

Theorie und die Praxis im Arbeitsalltag

Die bei Wikipedia zu lesende Definition skizziert ein romantisches und auch leicht verklärtes Bild einer neuen Form des Arbeitens. Mitnichten betritt man mit einem Coworking Space ein Wunderland, in dem sich ein StartUp gemeinschaftlich von selbst gründet und junge, begeisterte Menschen freudestrahlend zum Wohle aller an Quellcodes schrauben, Texten feilen und Pixel schubsen. Die Realität hat dann doch wieder etwas mit stinknormaler Arbeit zu tun - von Zauberhand erledigt sich eben auch in in der oft verteufelten digitalen Zukunft keine Arbeit.

Neben dem meist angepriesenen "zusammen arbeiten", kommt beim Coworking aber auch eine Form des Arbeitens vor, die man vielmehr als als "neben einander her arbeiten" beschreiben kann. Beides liegt ironischer Weise in der Natur der Dinge. Zum einen finden sich Menschen, die miteinander als Gruppe arbeiten. Wenn sie dies aber tun suchen sie meist einen Rückzugsort, damit sie die anderen Coworker nicht stören. Manch einer dieser anderen packt sich aus genau diesem Grund lieber die Kopfhörer auf die Ohren, um so für sich innerhalb der Gemeinschaft alleine zu sein.

Oft gibt es aus genau diesen Gründen unterschiedliche Zonen innerhalb eines Coworking Spaces. Arbeitsplätze fürs konzentrierte Arbeiten, Konferenzräume für kollobarativen Austausch, kleine 'Telefonzellen' für Konferenzschaltungen und ein Bistro für angeregte Diskussionen und Begegnungen. Je vielfältiger das Angebot an Räumen, um so lebendiger auch die Nutzung durch die Community.

Eine subjektive Analyse - wie nutze ich Coworking?

Café im betahaus Hamburg

Zur Überbrückung von kleinen Pausen zwischen Terminen...
... lohnt es sich für mich meist kaum einen Coworking-Space aufzusuchen. Viele Cafés sind inzwischen mit WLAN ausgestattet und so verbringe ich die Zeit zwischen zwei Terminen meist mit einem Kaffee an einem Bistro-Tisch. 

In den Abendstunden...
... sind die meisten Spaces leider geschlossen. Gerade dann benötige ich jedoch am ehesten einen Platz. In einer Weltstadt wie Hamburg ist es dann mehr als eine Herausforderung, wenn man nach dem klassischen Feierabend gemeinsam mit Kollegen an einem Projekt arbeiten möchte.

Für spontane Meetings...
... ist oft nicht genügend freier Raum vorhanden. Gerade wenn man mit einem Team  Dinge besprechen möchte, ist es oft schwer spontan ausreichend Raum zu bekommen. Abgetrennten Bereiche sind in der Unterzahl und meist wird eine zusätzliche Gebühr fällig. Bisher habe ich es nur einmal erlebt, dass es ohne Voranmeldung möglich war mit einer größeren Gruppe ohne zusätzliche Kosten einen Raum zu bekommen - dieser Abend im wunderbar skurrilem  Unperfekthaus in Essen hat meine idealistische Wunschvorstellung von Coworking sicherlich mehr als geprägt.

Auf Reisen...
... sind Coworking Spaces eine willkommene Alternative zur anonymen Hotellobby oder dem tristen Hotelzimmer. In fast jeder größeren Stadt finden sich inspirierende Einrichtungen. In dem Moment, wo es gilt mehr als zwei, drei Stunden zu überbrücken, sind sie auch eine wahrlich gute Alternative zu Coffee-Shops und Co. Anders als am Heimatort, benötigt ich meist eher tagsüber einen Platz zum Arbeiten, am Abend steht dann tatsächlich auch mal Freizeit auf dem Programm ;-)

Treffpunkt der digitalen Szene und Gastgeber zahlreicher Veranstaltungen

Kommunikation mit Handy
Tweet zum Webmontag Hamburg im Shhared

Für Veranstaltungen sind Coworking Spaces eine große Bereicherung. Vielen Community-Events sind sie ein buntes Zuhause, und auch Unternehmen nutzen mehr und mehr die Möglichkeit, ihr Event in einem etablierten Rahmen zu positionieren. Ein spannender Trend sind in diesem Zusammenhang auch Gastauftritte von Events, die ihren Ursprung eigentlich in anderen Städten haben.

Für Firmen ist es übrigens eine wunderbare Möglichkeit, ein Event als Raum-Sponsor zu unterstützen. Klassischer kann eine Win-Win-Situation nicht aussehen. Das Event hat die Möglichkeit, seine Veranstaltung in professionellen Räumen abzuhalten, die Community kann teilnehmen und wenn der Sponsor schlau ist, lässt er seine Mitarbeiter als Gast an der Veranstaltung teilnehmen. Unterstützung, Information, Vernetzung, Austausch, Story Telling, Employer Branding – die Liste positiver Attribute ist endlos.

Wunschvorstellungen vs. realistisches Preismodell

Jetzt aber mal Butter bei die Fische, rechnet sich das alles denn überhaupt? Trifft hier nicht zu viel Idealismus auf zu wenig Realität? Machen wir uns nichts vor, einen Coworking Space rentabel zu betreiben, ist kein einfaches Unterfangen. Coworking ist für viele Freelancer und StartUps ein Sprungbrett, in dem Moment wo mehr benötigt wird, wird es schwierig. Egal ob mehr Mitarbeiter, mehr Arbeitsleistung, mehr Raum, mehr Aufmerksamkeit - irgendwann wächst man aus dem Coworking-Alter heraus und die nun endlich zahlungskräftigen Mieter verlassen das Nest. Sie werden flügge und sind zukünftig meistens unter einer eigenen Adresse, in eigenen Räumen auffindbar. Coworking ohne Subvention ist und bleibt ein Herausforderung.

Auf die Tische!

Und dennoch, jeder Zeit wieder würde ich mich für Orte wie das betahaus oder das Shhared engagieren, so wie ich es 2014 mit einer winzig kleinen Spende für einen Stuhl getan habe, um den Erhalt des betahauses zu unterstützen.

Coworking Spaces sind wichtiger Begegnungsraum, sie geben Freelancern und StartUps ein erstes Zuhause, machen sie auffindbar und somit zu einer wahrnehmbaren Größe.

Die vielen Veranstaltungen stärken den Zusammenhalt und machen ihn auch für Außenstehende erlebbar. Sie schaffen Zugänge zu einer Szene, die es so sonst vielleicht nicht geben würde.

Ich selbst würde mir wünschen, ein möglichst flexibles Stundenkonto zu haben, welches auch andere Zeiteinheiten als Ganz- oder Halbtagestickets kennt. Eine ruhige Ecke zum Telefonieren und hin und wieder einen extra Monitor, wenn es dann doch mal ein längerer Arbeitsaufenthalt werden sollte. Und eine kleiner bis in die späten Abendstunden offener Bereich für die Spätschicht - mein Glück wäre perfekt. Ansonsten bin ich gerne Gast und freue mich auf ein Wiedersehen bei einer der zahlreichen Veranstaltungen der so wunderbar aktiven digitalen Gemeinschaft.

Coworking Spaces in Hamburg

Hier möchte ich noch ein paar persönliche Empfehlung aussprechen. In diesen Coworking Spaces habe ich selbst bereits gearbeitet und kann sie gerne und jeder Zeit empfehlen.

betahaus Hamburg

Shhared

Werkheim

Design Offices


Linksammlung zu ergänzenden Beiträgen

Tobias Schwarz hat 2015 für Microsoft eine Reise quer durch Europa durch zahlreiche CoWorking Spaces übernommen.
Dazu gibt es ein Sway mit einem interessanten Bericht.

Alex Ahom ist Gründer des Shhared und hat als Gastgeber einen Nachbericht zur German Coworking Conference 2016 geschrieben:
"What an experience — what a weekend!"

Alex Ahom, open letter: Work War 3 - Coworking

Cowork2016 - die Coworking Konferenz Deutschland im Video

Deutsche StartUps, Elke Fleing: Coworking in Hamburg - das bietet die Hansestadt


Kristin Oldenburg

Senior Art Director Digital mit einer großen Passion für Code und Events. In Hamburg unterstützt Kristin als Webstrategin und Netzdenkerin die digitale Szene mit den Projekten Webmontag Hamburg und Digital Mesh.


Wir wollen in diesem Blog in den kommenden Wochen verschiedene Aspekte von New Work und digitaler Teilhabe beleuchten. Im Wechsel werden Gastautoren als auch das Team von Digital Mesh zu Wort kommen. Wir freuen uns auf interessante Inhalte, über die wir gerne weiter mit Euch sprechen.

Ein besonderer Dank geht an Microsoft, welche uns in äußerst unbürokratischer Art und Weise unterstützen, diesen 'Content Hub' mit Gedanken zum Digitalen Wandel vor allem unserer Arbeitswelten zu befüllen.


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