New Work in Industrie und Produktion

2016-05-17 10:00
von Nicole Willnow
Foto: Nicole Willnow

17.05.2016 - Im Zuge der zunehmenden Digitalisierung bzw. des digitalen Wandels sprechen wir auch von einer Veränderung der Arbeitswelten. Letzteres wird im Moment Arbeiten 4.0 oder New Work genannt. Ist das wirklich so neu und was bedeutet das für neue Arbeitsformen? Und sind diese Veränderungen wirklich eine Folge der Digitalisierung? 

 

Wenn wir von New Work und neuen Arbeitsformen sprechen, denken die meisten von uns zuallererst an Büro- oder an Dienstleistungsarbeit. Auch in den „Industrieländern" arbeitet die Mehrheit der berufstätigen Bevölkerung inzwischen nicht mehr in der Industrie, sondern im Dienstleistungs- oder im Informationssektor. Früher unterteilte man in White Collar Worker, also die mit dem weißen Kragen, die im Büro arbeiteten, im Gegensatz zu den Blue Collar Workern, den Arbeitern im „Blaumann“. In unserer sogenannten „Industrienation" Deutschland sind in Industrieproduktionsbetrieben aber nur noch ca. 10 Millionen Menschen beschäftigt, und damit knapp 25 % der arbeitenden Bevölkerung. Die Mehrheit, nämlich 74 Prozent, arbeitet im dritten Wirtschaftssektor

Wirtschaftssektoren

in Deutschland 

Landwirtschaft 

Berufstätige in %  

Industrieproduktion 

Berufstätige in %  

Dienstleistungssektor 

Berufstätige in %  

1950 

24,6  

42,9 

32,5 

2015 

1,5 

24,4 

74,1 

Quelle: www.destatis.de/  

Früher Industriehalle, heute Kulturwerkstatt. Foto: Nicole Willnow

Gibt es New Work auch in der Industrie?

Ursprünglich gab es nur drei Wirtschaftssektoren: Landwirtschaft, Industrieproduktion und Dienstleistungsgewerbe. Heute in Zeiten der Wissensgesellschaft ist der letzte, der Tertiäre Sektor so groß geworden, dass man ihn weiter unterteilt hat in Dienstleistungssektor und Informationssektor oder quartärer Sektor.* Diese Unterscheidungen sind deshalb wichtig, weil die Digitalisierung auf diese Bereiche sehr unterschiedliche Auswirkungen hat. Und damit auch auf die Arbeitswelt. 

Aber zurück zu New Work und der Industrie. Es arbeiten also noch knapp 25 Prozent in Industrie und Handwerk, was immerhin 10,3 Millionen Menschen bedeutet. Sie haben in Zeiten der Digitalisierung ein eigenes Buzzword bekommen: Industrie 4.0. Gelten also für die Industrie-Beschäftigten auch die neuen Möglichkeiten, wenn nicht gar Verheißungen, von New Work? 

Die Industrieberufe sind traditionell vielmehr als andere Bereiche gewerkschaftlich organisiert. So wurde dort schon viel früher als andernorts für mehr Mitbestimmung gekämpft, für flexible Arbeitszeiten, für Arbeitszeitkonten etc. Der Druck war allerdings auch größer, weil offensichtlich war, dass die Automatisierung viele Arbeitsplätze überflüssig machen würde. Wie oben zu sehen, sank die Beschäftigtenquote in der Industrie von knapp 43 in den 50ern auf knapp 25 % im letzen Jahr.

 

New Work in der Autoindustrie? Foto: www.lifeofpix.com via pexels.com CC-Lizenz

Um die Digitalisierung kann keiner mehr einen Bogen machen

Inzwischen brachten Informatik und Robotik die Digitalisierung in die Werkshallen. Was heißt das für die Arbeitnehmer? Macht die Digitalisierung hier, mehr als im Dienstleistungssektor und Infomationsektor, weitere Stellen überflüssig? Was passiert mit Hierachien? Kann es weniger Anweisungen und weniger Kontrolle durch Menschen geben? Müssen Führungskräfte stattdessen mehr Zeit für Motivation und ein funktionierendes Miteinander aufbringen? Nach wie vor wird es schwierig, den Mitarbeitern in der Industrie die Freiheiten von Arbeitsplatzwahl und Arbeitszeitwahl wie z.B. im Informationssektor einzuräumen. Trotz Robotik müssen die Mitarbeiter zur Kontrolle an den Maschinen sein, können nicht die Produktionsprozesse unterbrechen, weil sie gerade lieber im Home Office arbeiten wollen. 

Wir sollten die Unterschiede einfach nicht aus den Augen verlieren, wenn wir über die Arbeitswelten der Zukunft sprechen. Es gibt großartige neue Möglichkeiten, neue Berufe und neue Arbeitsformen. Aber in einigen Bereichen auch viel größere Ängste und Unsicherheiten. Nur wer solche Verunsicherungen aktiv angeht, wird die Zukunft mitgestalten. Ganz sicher werden weitere Jobs in der Industrie überflüssig – ebenso wie bei den White Collar Workern. Um die dort arbeitenden Menschen weiter beschäftigen zu können, müssen die Unternehmen sie weiterbilden und an anderer Stelle einsetzen. 

Aber egal, ob am Band oder am Schreibtisch, um die Digitalisierung kann keiner mehr einen Bogen machen. Da ist es notwendig, sich aktiv damit auseinander zu setzen und voraus zu denken, WIE man sich verändern will, nicht mehr OB. Moderne Prozesse können dabei helfen, dass der Umbruch weder für die Unternehmen, noch für die Beschäftigten zu belastend wird. Inwieweit dabei eine schöne neue Arbeitswelt herauskommt, werden wir bald sehen.  

 

Jean Gottmann definierte 1961 die in diesen Sektor fallenden Tätigkeiten als Tätigkeiten aus dem Bereich des tertiären Sektors, die besonders hohe intellektuelle Ansprüche stellen und ausgeprägte Verantwortungsbereitschaft erfordern. (Quelle: Wikipedia


Nicole Willnow

Als leidenschaftliche Netzwerkerin und Digitalistin lag es für die Diplom-Kauffrau nah, zusammen mit Kristin Oldenburg das Meta-Netzwerk Digital Mesh zu gründen. Sie setzen sich damit für die Stärkung und Sichtbarkeit der Initiativen des digitalen Hamburgs ein. Neben ihren Online-Projekten gibt Nicole offline Trainings und Coachings in verschiedenen Themenbereichen.

www.winggiver.de


Wir beleuchten in diesem Blog in den kommenden Wochen verschiedene Aspekte von New Work und digitaler Teilhabe. Im Wechsel werden Gastautoren als auch das Team von Digital Mesh zu Wort kommen. Wir freuen uns auf interessante Inhalte, über die wir gerne weiter mit Euch sprechen.

Ein besonderer Dank geht an Microsoft, welche uns in äußerst unbürokratischer Art und Weise unterstützen, diesen 'Content Hub' mit Gedanken zum Digitalen Wandel vor allem unserer Arbeitswelten zu befüllen.

 


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